Heranziehung von Anliegern zu Straßenreinigungsgebühren für Winterwartung unzulässig

Der Gebührenfestsetzung zu Grunde liegender Gebührensatz unwirksam

Das Verwaltungsgericht Minden hat entschieden, dass die Stadt Herford die Anlieger einer Straße nicht zu Straßenreinigungsgebühren für die Winterwartung heranziehen darf.

Im zugrunde liegenden Streitfall wollte die Stadt Herford mit einem Bescheid die Anlieger einer Straße zu den Straßenreinigungsgebühren für die Winterwartung betreffend die Jahre 2013 und 2014 heranziehen. Die Eigentümerin eines Hausgrundstücks wehrte sich hiergegen u.a. mit der Begründung, dass nach Erklärungen der städtischen Tochterfirma SWK (Servicegesellschaft für Wirtschaft und Kommunen mbH) die Überschüsse aus dem Winterdienst für die Durchführung der übrigen Tätigkeiten der Stadt benötigt würden. Derartige Kosten dürften jedoch nicht den Anliegern aufgebürdet werden.

Bei der SWK handelt es sich um eine Gesellschaft, die im November 2001 zur Übernahme der Stadtdienstleistungs GmbH (SDL) gegründet wurde. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von Stadtdienstleistungen, insbesondere in der Abfallwirtschaft, der Straßenreinigung, der Unterhaltung von Straßen, Gewässern, Sportplätzen, Grünflächen und Friedhöfen sowie dem Betrieb von Bauhöfen.

Das Veraltungsgericht erklärt die Gebührenfestsetzung für unzulässig.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden ist der der Gebührenfestsetzung zu Grunde liegende Gebührensatz unwirksam, denn es habe nicht festgestellt werden können, dass sich die von der Stadt Herford an die SWK entrichteten Entgelte im Rahmen des gebührenrechtlich Erforderlichen hielten. Der Ansicht der Stadt Herford, die in den Jahren 2010 bis 2014 an die SWK gezahlten Entgelte entsprächen Marktpreisen, folgte das Gericht nicht. Eine von der Stadt vorgelegte sogenannte Selbstkostenfestpreiskalkulation der SWK vom 4. Februar 2015 helfe nicht weiter, denn diese weiche in ihrer Konzeption und bei wichtigen Details grundlegend vom bisherigen Vorbringen der Stadt ab.

Auch wenn es sich hier um ein Urteil aus Niedersachsen handelt, zeigt es wieder einmal auf, was bei der Festsetzung von Gebühren durch die Gemeinden unbedingt zu beachten ist. Aus dem Grundgesetz ist heraus zu lesen, dass sich kommunale Gebühren und Beiträge nach den Prinzipien der Kostendeckung und der Äquivalenz zu richten haben. Beide wurden nach Ansicht des Gerichtes in Minden verletzt. Die Gebühren wurden seitens der Stadt offensichtlich höher festgesetzt, als eine reine Kostendeckung ergeben hätte. Das Kostendeckungsprinzip ist leicht verständlich.

Das sieht beim Äquivalenzprinzip etwas schwieriger aus. Nach dem geltenden Verwaltungskostengesetz ist es zur Festsetzung von Gebühren zwingend notwendig, den durchschnittlichen Verwaltungsaufwand, der durch eine Amtshandlung entsteht, zu ermitteln und den durchschnittlichen Wert bzw. Nutzen oder die Bedeutung der Amtshandlung für den Leistungsempfänger abzuschätzen. Beide Größen, Verwaltungsaufwand und wirtschaftlicher Wert bzw. Nutzen der Amtshandlung für den Empfänger, sind bei der Gebührenfestsetzung zu berücksichtigen und in ein angemessenes Verhältnis zu setzen.

Die Stadt Minden hat das offensichtlich nicht getan, sondern kostenüberdeckende Gebühren damit begründet, dass die Gelder für andere öffentliche Aufgaben benötigt werden. So eine Gebührenerhebung ist unzulässig.

Der Ex- Bürgermeister Müller verwies auf eine Nachfrage der BfH zur Ermittlung der Höhe von Beiträgen auf "die Gremien", die das prüfen. Er war genervt, als es noch eine Nachfrage gab, und beantwortete die faktisch gar nicht. Auch die neue Gemeindevertretung lässt eine für jeden Bürger durchschaubare Darstellung der Gebührenberechnung nicht zu.

So stiegen die Entgelte für das Trinkwasser exorbitant, ohne dass es für die Bewohner des Dorfes nachvollziehbar war. Sie wurden, im wahrsten Sinne des Wortes, überrascht durch hohe Preise. Ob die Ermittlung der Entgelte tatsächlich den beiden oben genannten Prinzipien entspricht, ist nicht überprüfbar, weil die Mitglieder der Gremien regelmäßig dazu schweigen. Auf diese Art und Weise nimmt die Gemeindevertretung den Bürgern in Hohn und Umgebung das Recht, die Preise gerichtlich überprüfen zu lassen. Das ist keine bürgernahe Kommunalpolitik.

Was hohe Wasserpreise bedeuten, zeigte sich im Sommer 2014 im portugiesischen Alentejo:

Der privatisierte Wasserbetrieb erhöhte die Preise, was zu Wassersparmaßnahmen der Bewohner und der Landwirte führte. Dadurch wurden die Leitungssysteme unzureichend durchspült. Das Wasser stand bei der Sommerhitze zu lange in den Leitungen und Druckbehältern. Da ein zusätzliches Spülen Geld kostet, unterließ der Wasserwirtschaftsbetrieb das. In der Folge kam es zu einer Legionelleninfektion, die Todesopfer forderte. In den vielen Jahren der kommunalen Wasserwirtschaft passierte so etwas nicht. Allerdings waren die Preise pro Kubikmeter Wasser auch erheblich niedriger. Die Verletzungen der Prinzipien der Kostendeckung und der Äquivalenz durch Privatisierung der Wasserversorgung haben im Alentejo letztlich zu lebensbedrohlichen Situationen geführt. So krass muss es nicht immer kommen. Doch es dürfte im Interesse der Allgemeinheit sein, Wasserpreise und andere Gebühren und Beiträge tatsächlich überprüfen zu können.

Dipl.- Ing. Sylke Wegener

Haydn von Hohnstein